Was ist die BRP?
Die Republik Österreich kennt die Möglichkeit einer Berufsreifeprüfung („BRP“). Wer eine fertige Berufsausbildung hat, kann zur BRP antreten.
„Bevor Prüfungen absolviert werden können, ist ein Zulassungsansuchen an einer öffentlichen höheren Schule einzubringen.“ – Okay, damit wird eine Verbindung zum öffentlichen Schulsystem hergestellt. „Die Zulassungsvoraussetzung muss spätestens bei Antritt zur letzten Teilprüfung nachgewiesen werden.“ – Das ist schon recht seltsam. Man darf anfangen und fast alles abschließen, ohne die Voraussetzungen nachgewiesen zu haben! ??? Strange, very strange.
Man macht dann nur mehr wenig „Reifeprüfung“. Zwei schriftliche Prüfungen in Deutsch und „Angewandter Mathematik“; eine Prüfung in Englisch – schriftlich oder mündlich; und eine Prüfung im „Fachbereich“, auch schriftlich oder mündlich oder als Projektarbeit. „Die Wahl des Fachbereichs erfolgt anhand des Berufsfeldes.“
Das ist dann auch eine Art „Reifeprüfung“, eben „Berufsreifeprüfung“.
Dass das Ding zwar in Österreich gilt, aber keineswegs international, sollte man wenigstens auch öffentlich zugeben. Ziel ist offensichtlich, den Anteil der MaturantInnen an der Gesamtbevölkerung schnell zu heben. Bildungsstatistikkosmetik?
Die BRPs werden als Externistenprüfungen geführt. Eine offizielle Vorbereitung, eine offizielle Ausbildung zur BRP hin gibt es nicht; man kann das selbst / allein, in Nachhilfeschulen, auch in öffentlichen Schulen machen. Die Vorbereitung auf die BRP könne „im Selbststudium oder im Rahmen von Vorbereitungslehrgängen (Erwachsenenbildungsinstitutionen, Schulen für Berufstätige, Schulen im Rahmen der Teilrechtsfähigkeit) erfolgen. Werden Vorbereitungslehrgänge an anerkannten Einrichtungen der Erwachsenenbildung besucht, so können bis zu drei Prüfungen dort abgelegt werden. Eine Prüfung muss jedenfalls an einer öffentlichen höheren Schule abgelegt werden.“
Diese Vorbereitung kostet natürlich Geld. Nicht wenig.
(Die Infos stammen aus https://www.srdp.at/zweiter-bildungsweg/; einer Seite des Bildungsministeriums.)
Ist die BRP eine Mogelpackung?
Ja, in gewissem Sinn sicher. Man muss da garantiert nicht so viel, nicht so tief und nicht so breit lernen wie in 4 Jahren Abendgymnasium oder einer anderen höheren Schule. Ob das durch eine vollzogene Berufsausbildung zu rechtfertigen ist: darüber könnte man streiten.
Die vollzogene Berufsausbildung als quasi-akademische Leistung ist eine interessante Idee. Das gibts auch noch anderswo. Es gibt sehr dubiose „Privatuniversitäten“, in denen „berufliche Leistung“ als wesentliches Element für einen „akademischen Titel“ anerkannt ist. Man nennt das „Titelmühlen“. Man zahlt nicht wenig Geld und bekommt seine berufliche Leistung als quasi-akademische „Leistung“ anerkannt und ein „Doktorat“ oder eine „Professur“ verliehen. Das ist dann illegal und Betrug … und natürlich nicht mit der BRP zu vergleichen. Bei der BRP wird nämlich wirklich etwas geprüft, und das Geld zahlt man für wirkliche Vorbereitungskurse, nicht nur für ein Scheinverfahren. Die BRP ist staatlich und richtet sich an wirkliche Berufstätige, Titelmühlen sind privat und richten sich an „Manager“ (oder Leute, die als solche gelten wollen), die viel Geld zahlen für einen Titel.
Man kann aber nach einer BRP nicht gleich viel können und wissen wie nach 4 Jahren Abendgymnasium mit allen allgemeinbildenden Fächern. Man kann natürlich „Anderes“ wissen und das ist sicher auch wertvoll. Aber ich glaube nicht, dass die Dinge vergleichbar sind. Ich kenne Personen, die nicht das Abendgymnasium besucht haben, aber nun schon seit mehreren Jahren an der BRP schwitzen und nicht wirklich weiterkommen, weil es halt auch keine wirklich profunde Ausbildung gibt (die sie aber brauchen würden). Manches kann man auf eine „Reifeprüfung“ lernen – nämlich „Lernstoff“. Manches geht so nicht, das braucht Zeit und Gründlichkeit – nämlich „Fähigkeiten“.
Wollen Sie lieber Tomaten oder Karotten? Wenn Sie Tomatensalat machen wollen, nützen Ihnen Karotten nichts.
Wir sind „Prüfungsschule“. Leider.
Wir, das Abendgymnasium Innsbruck, sind für die BRP „Prüfungsschule“. Warum wir das sind, weiß ich nicht; wir waren das schon lang, als ich Direktor wurde. Wir wollen es auch gar nicht sein, hat eine Abstimmung in einer Konferenz gezeigt. Wir haben mit 2 Vollmaturaterminen pro Schuljahr (Dezember / Jänner und Mai / Juni) und über 1.000 „Kolloquien“ sowieso schon irr viele Prüfungen zu bewältigen, wir verfügen auch über keinerlei Räume an Nachmittagen, und ja: wir wollen den Status als Prüfungsschule loswerden. Wir wollen auch unser ureigenes Hochwertprodukt, die Abendgymnasiums-Vollmatura, nicht durch ein „geringwertiges“ Produkt selbst konkurrenzieren. Das passt nicht zusammen.