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Michael Bürkle

Die Hymne als Identifikationswerkzeug

Identifikation messen

Laut ORF online wird einem (ehemaligen) Ukrainer, der die österreichische Staatsbürgerschaft bekommen sollte, diese nun verweigert, weil er bei der Verleih-Feier die Hymne nicht mitsingen wollte. Echt? Wo? In Niederösterreich. Eh klar. Er beweise damit nämlich „eine fehlende „Identifikation“ mit Österreich“, so Landeshauptfrau-Stellvertreter Landbauer (FPÖ).

Die FPÖ NÖ hat also ein Messinstrument für Identifikation gefunden. Haben sie die noch alle? (Ich meine: Sinne beieinander.)

Gute Gründe

Es kann viele sehr gute Gründe geben, eine Hymne nicht singen zu wollen. Zum Beispiel, dass man nicht gut singen kann oder nicht gerne singt. (Ich würde niemals einen Fußball-Nationalspieler, weil er die Hymne nicht inbrünstig genug mitsingt, aus der Mannschaft nehmen.) Oder dass man Textelemente einer Hymne inhaltlich nicht mittragen will / kann, weil man sie für altmodisch, überholt, reaktionär oder schlicht unsinnig hält. (In den Hymnen der Bundesländer gibt es da zahlreiche einschlägige Stellen.)

Die Bundeshymne mit dem Text von Paula Preradović ist ja diesbezüglich relativ harmlos. Aber sie ist dennoch kein Gradmesser für Identifikation. Der gute Mann aus der Ukraine kann sehr gute Gründe für ein Nicht-Mitsingen gehabt haben. Allein die Zivilcourage, das geltend zu machen, spricht dafür, den Mann zum Staatsbürger zu machen. Der denkt sich was!

Aber Zivilcourage kommt weder in der Bundeshymne noch in der niederösterreichischen Landeshymne vor. Zivilcourage ist in der FPÖ-geprägten Landesregierung offenbar in mehrfacher Hinsicht ein Fremdwort. Statt dessen: „Im Rauschen deiner Wälder, / in deiner Berge Glanz, / im Wogen deiner Felder / gehören wir dir ganz.“ In der Bundeshymne hat man dagegen sogar die „großen Söhne“ mittlerweile korrekt ergänzt. Aber verstaubter Unsinn wie „Land der Hämmer“ – vermutlich auf die Stahlindustrie gemünzt, nicht als Befund mangelnder männlicher Intelligenz gemeint – oder „Hast seit frühen Ahnentagen / Hoher Sendung Last getragen“ oder „Frei und gläubig sieh uns schreiten“ (gläubig woran?) oder „Einig lass in Jubelchören / Vaterland, dir Treue schwören“ steht immer noch drin. (In „Jubelchören“ „Treue schwören“ – gilt so ein Schwur überhaupt? Da habe ich sehr unangenehme Assoziationen.)

Nein, das muss man nicht singen.


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