michael bürkle

texte … zu bildung, politik und ähnlichem und die einladung zur diskussion …

Michael Bürkle

Meine Wahlentscheidung

Ich bin nicht zufrieden

Ich kann alle Österreicherinnen und Österreicher, die mit den Parteien, die zur Nationalratswahl antreten, nicht zufrieden sind, gut verstehen. Noch nie hatte ich so ausgeprägt das Gefühl, „das geringste Übel“ finden zu müssen. Aber es ist mir gelungen; ich habe bereits mit Wahlkarte gewählt.

Was gar nicht in Frage kommt: FPÖ, ÖVP

Meines Erachtens kommen zwei Parteien überhaupt nicht in Frage, weil sie das vermutlich wesentlichste Problem unserer Zeit – den menschengemachten Klimawandel – nicht verstehen. Deshalb geht alles, was sie an Programmatik vorlegen, an den wesentlichen Bedürfnissen unserer Zeit vorbei. Das sind FPÖ und ÖVP. Die FPÖ hat immer noch nicht kapiert, dass es einen menschengemachten Klimawandel überhaupt gibt; die ÖVP versucht ihn mit äußerst unzulänglichen Mitteln – kurz: mit Technik, die es noch nicht gibt – in den Griff zu bekommen. Beides ist extrem gefährlich und kann zum Kippen von kritischen Punkten im Klimawandel führen, also zu nicht mehr umkehrbaren Zuständen.

(Auch wenn man den menschengemachten Klimawandel nicht für das dringendste / gefährlichste Problem hält, gibt es viele sehr gute Gründe, die FPÖ und die ÖVP nicht zu wählen. Ich habe vielfach darüber geschrieben; zuletzt habe ich als „Was die Diakonie sagt“ ein Papier der Diakonie diskutiert.

Ich hatte z.B. vor ein paar Tagen mit einem älteren Herrn – bin ja selbst schon 67 – ein interessantes und nettes Gespräch. Er sagte, er sei ein alter Sozialdemokrat und wisse noch nicht, was er wählen werde: KPÖ oder FPÖ. Ich hab gelacht und gemeint, das sei leicht: die FPÖ habe ja noch nicht einmal den Klimawandel verstanden. Er: er glaube selbst nicht an den Klimawandel. Ich: das sei keine Glaubenssache, der sei nachgewiesen, wissenschaftlich. Aber als alter Sozialdemokrat sei er doch sicher an sozialem Wohnbau interessiert. Den wollen FPÖ und auch ÖVP nicht.
Er hat den Kopf gewiegt und sich für das Gespräch bedankt.)

Ich glaub, er geht zur Wahl. Was er wählt, weiß ich nicht: FPÖ wäre ein großer Fehler; KPÖ allenfalls ein kleiner.

Die Grünen?

Ich bin mit der performance der Grünen sehr unglücklich. Im Klimaschutz (Gewessler) und in der Korruptionsbekämpfung (Zadic) haben sie einiges erreicht. Das Klimaticket ist z.B. eine großartige Sache. Aber die Parteiführung mit Bundessprecher Kogler und Geschäftsführerin Voglauer macht einen schlechten Job – das war z.B. im Rahmen der EU-Wahl mit dem Chaos um die Spitzenkandidatur von Frau Schilling nur mehr schrecklich. Nur als Beispiel: Wie kommt ein Parteichef einer grünen Partei dazu, Presse-Recherchen öffentlich als „Gefurze“ abzutun – auch wenn sie unangenehm sind? Wie kann man überhaupt eine Kandidatur einer vielversprechenden jungen Kandidatin so vergeigen? Auch in Diskussionen würde ich mir von Kogler oft klare Worte wünschen: nicht „viele“, sondern „klare“.

Auch das Wahlprogramm der Grünen ist nicht wirklich gut – ich habe am 28.8. darüber im Artikel „Das Grüne Wahlprogramm“ geschrieben. Es wirkt auf mich wie ein unfertiger Text, der jetzt noch einen ordentlichen Feinschliff benötigt. Es steht viel Vernünftiges drin; manches ist aber unfertig oder unvollständig – das haben mir auf Nachfrage auch grüne Politiker bestätigt.

Die SPÖ?

Die SPÖ ist mit dem neuen Vorsitzenden Andreas Babler für mich seit Langem wieder wählbar geworden. Aber ich teile die Meinung vieler Gesprächspartner, dass die Partei immer noch zutiefst zerstritten ist: nicht so sehr zwischen Lagern, sondern zwischen – sagen wir: – „Traditionen“. Da gibt es die Funktionäre, die immer noch (z.B. als Bürgermeister) der lokalen und regionalen Korruption verfallen sind – wie ihre Kollegen von ÖVP und FPÖ. Da sitzen die Reflexe des Machterhalts noch tief und der neue Vorsitzende hat alle Hände voll zu tun, hin und wieder Aufpoppendes wieder einzufangen.

Das Wahlprogramm ist im Großen und Ganzen solide: ich – hm: – „verstehe“ allerdings, wenn altgediente Genoss*innen „Unernsthaftigkeit“ erkennen, weil es ihnen offenbar zu schnell geht: da geht manches über die seit Jahrzehnten geübte eingeschränkte Vorstellungskraft hinaus. Die SPÖ ist in einem komplizierten Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Aber es gäbe gute Gründe, diesen Prozess mit einer Stimme abzusichern.

Die NEOS?

Die NEOS sind mit der konsequenten Politik der Parteichefin Meinl-Reisinger für mich an sich wählbar geworden – wenn sie nicht letztlich doch eine Partei der Wohlhabenden wären, die jede Art von Besteuerung für diese Schicht rundweg ablehnt. Gesellschaftspolitisch sind die NEOS für mich interessant; wirtschafts- und sozialpolitisch sind sie für mich nicht wirklich möglich. Dass das österreichische Steuersystem höchst ungerecht ist, müsste man auch aus liberaler Sicht erkennen können, meine ich.

radikal links: KPÖ oder KEINE?

Was mir von vornherein klar war: eine Partei, die damit kokettiert, auf dem Stimmzettel als „KEINE“ zu stehen um damit die Stimmen Unzufriedener abzustauben, kann ich nicht wählen. Ja: wer „KEINE“ wählt, wählt die linksradikale Partei WANDEL, deren Programm von dem der KPÖ nicht wirklich groß verschieden ist. (Armin Wolf hat den „Wandel“ als „KPÖ auf Speed“ treffend charakterisiert.)

Ich bin beiden böse, dass sie es wieder einmal nicht geschafft haben, eine gemeinsame radikal linke Liste mit einem nachvollziehbaren, realistischen Programm zusammenzubringen. Anscheinend hat der Wandel es versucht und die KPÖ war desinteressiert. Linkes Sektierertum lebt also immer noch! – wie vor 45 Jahren. Das gehört bestraft: beide müssten wissen, dass die 4%-Hürde für sie hoch ist – und dann da mit „gleichem“ Programm getrennt anzutreten: das ist politischer Hochmut – oder auch Arroganz.

Bierpartei?

Die Bierpartei hat einige Plakatständer mit an sich vernünftigen Slogans, die halt etwas populistisch verknappt sind. Ein wirkliches Programm hat sie nicht: Dominik Wlazny zuckt auf inhaltliche Fragen sehr oft die Schultern und meint entschuldigend, er sei ja noch nicht im Nationalrat. Schlimmer noch: die Partei hat nicht nur kein Programm, sondern auch keine nachvollziehbare Parteistruktur – ich hab das schon am 5.9. im Artikel „Bierpartei?“ behandelt. Was damit von Abgeordneten der Bierpartei im nächsten Nationalrat zu erwarten ist, steht in den Sternen.

Ich komme zum gleichen Schluss wie am 5.9.: eine Stimme für die Bierpartei ist sehr riskant; da kann alles mögliche herauskommen. Ich rate ab.

Liste Petrovic?

Die hat mich schon am 15.7. interessiert: „„echt grün“? oder ziemlich falsch?“. Leider muss ich meinen damaligen Befund nicht revidieren: das ist ein sehr unausgegorenes Projekt. Ich hab damals „dringend“ abgeraten und bleibe dabei. Wer parlamentarische Irrlichter mag … ich habe lieber etwas, auf das ich mich halbwegs verlassen kann.

Die „Qual der Wahl“

Zwei Parteien, FPÖ und ÖVP, sind definitiv für mich unwählbar. Wer die wählt, wählt 5 schlechte Jahre für den größten Teil der österreichischen Bevölkerung. Grüne, SPÖ und NEOS haben mehr oder weniger störende „Fehler“, sind aber prinzipiell wählbar. Auch die KPÖ könnte ich wählen – wenn sie nicht das alte Sektierertum hervorkramen würde. Den Wandel / KEINE kann ich nicht wählen, weil ich den Antritt als KEINE als üblen Taschenspielertrick verstehe, dem man nicht trauen kann. Die Bierpartei ist eine riskante Sache; ähnlich, wenngleich aus anderen Gründen, auch die Liste Petrovic. Da weiß niemand, was da noch kommt. Das sind politische Wundertüten.

Dieser Befund entspricht i.W. auch dem, was mir die „Wahlkabine“ geraten hatte. (Da lagen bei mir KEINE vor KPÖ vor Grünen vor SPÖ vor NEOS, alle noch „positiv“, und auf der negativen Seite der Auswertung lediglich FPÖ und ÖVP.)

 

Ich musste in Vorarlberg wählen und habe mich noch einmal nicht wirklich begeistert und mit knappem Vorsprung vor der SPÖ für die Grünen entschieden mit einer Vorzugsstimme für Nina Tomaselli, die im Kampf gegen die Korruption in vielen Unterausschuss-Sitzungen tatsächlich viel vorwärts gebracht hat. Die Vorarlberger Grünen machen eine konsequente sozial-ökologische Politik auch im Land; das kann man auch im Bund honorieren. (In Tirol wärs mit dem SPÖ-Obmann Dornauer noch schwieriger, sich für die SPÖ zu entscheiden. Mit Vize-Bürgermeisterin Mayr wärs wieder etwas leichter.)


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michael bürkle
michael bürkle
2 Monate alt

Heute (24.9.), also leider „einen Tag zu spät“, habe ich vom Südwind einen „Wahlprogramm-Check“ hinsichtlich Entwicklungszusammenarbeit (Entwicklungshilfepolitik) bekommen – und fühle mich sehr bestätigt. Man kann das unter http://www.globaleverantwortung.at/nr-wahl-2024-wahlprogramm-check/ nachlesen.
Die Grünen und die SPÖ steigen da sehr gut aus; die FPÖ maximal schlecht; die ÖVP, NEOS, KEINE und KPÖ auch sehr schwach. Bierpartei und Liste Petrovic kommen nicht vor, weil sie das Thema nicht einmal ansprechen.

trackback

[…] Offenbar gibt es laut SPÖ einen Wohlstand, den man sichern soll; und offenbar können sich Menschen, die von diesem Wohlstand noch nicht betroffen sind, nicht wirklich darauf verlassen, dass die SPÖ sich für sie einsetzt. Für diese Menschen müsste man an sich „Wohlstand schaffen!“ plakatieren, wenn sie SPÖ wählen sollen. Sonst wählen sie anderes, und nicht unbedingt KPÖ, musste ich schon erfahren. […]

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[…] Laufe des Wahlkampfs durfte ich ein interessantes Gespräch führen – ich habe darüber berichtet. Ein älterer Herr hat mir dabei erklärt, er glaube nicht an den Klimawandel. Ich habe entgegnet, […]

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