michael bürkle

texte … zu bildung, politik und ähnlichem und die einladung zur diskussion …

Michael Bürkle

Die „fleißigen und tüchtigen“ …

Kickl auf Wählerfang …

Gestern ORF-Sommergespräch. Herbert Kickl (FPÖ) bei Martin Thür. Kickl auf einer Gratwanderung zwischen staatstragend und aggressiv. Das Staatstragende, auf dass Menschen ihn „gar nicht so schlimm“ empfinden; das Aggressive für die Kernwähler.

… aggressiv

Martin Thür war gut vorbereitet und hat kritische Fragen gestellt, wie sich das für einen modernen Journalisten gehört. Das hat Kickl wiederholt als „unsauberen Journalismus“ bezeichnet. Nein, das ist nicht unsauber; das ist kritisch im besten Sinn: eben wie es sich gehört.

Aber man schaue hinüber nach Ungarn und in die Slowakei. Dann sieht man, wie die Rechtspopulisten in Regierungsverantwortung mit kritischem Journalismus umgehen. Ich unterstelle: das würde Kickl auch in Österreich wollen. Auch Strache hatte das schon vor: „zack zack zack“. Der erste Schritt dazu: „Unsauberkeit“ unterstellen.

… und „staatstragend“

Im Staatstragenden bediente sich Kickl eines uralten Motivs konservativer Politiker: man müsse „die tüchtigen“ und „die Leistungsträger“ entlasten.

Wir müssen die Leistungsträger in diesem Land motivieren, weil das die einzige Möglichkeit ist, die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen.
[ungefähr 9:00]

ich weiß nicht, ob Sie des für gut befinden, dass man in diesem Land den fleißigen und den tüchtigen im Land da die die die Gelder abzieht, die Steuerleistungen und die Sozialleistungen und das dann umverteilt zu irgendwelchen Leuten, die uns dann die Bomben in irgendwelche Konzerte hineinschmeißen wollen
[ungefähr 42:00]

In der ersten Passage unterstellt Kickl, dass höhere Spitzengehälter „die Konjunktur in Schwung bringen“. Unsinn! In der zweiten Passage vermischt Kickl das konservative Motiv noch mit dem Klischee des Bombenschmeißers. Wer Sozialleistungen bezieht, baut aber nicht Bomben. Völlig unsaubere Argumentation!

Insgesamt: das ist ein uraltes konservatives Motiv; Kickl wildert da in den Thesen der ÖVP und will deren Wähler ansprechen. Dieses Motiv geht von einer ungeheuren Vereinfachung aus und ist als solches falsch. Nämlich:

Die „fleißigen und tüchtigen entlasten“ …

Wer hat etwas dagegen, fleißige und tüchtige Menschen zu entlasten? Na niemand; an sich. Aber was heißt fleißig und tüchtig hier und was heißt entlasten?

In einem kapitalistischen System werden alle Dinge in Geld gemessen. Auch Fleiß und Tüchtigkeit. Als „fleißig“ und „tüchtig“ gelten bei uns also die, die viel verdienen. Auch Entlastung wird in Geld gemessen: „entlasten“ heißt: weniger Steuern zahlen. Das wird in der Doppeldeutung des Worts „verdienen“ versteckt. „verdienen“ heißt einerseits „Geld erhalten“ und andrerseits „Verdienste erwerben“. Das ist aber nicht dasselbe.

Der Grundfehler dabei ist, dass Fleiß / Tüchtigkeit und Einkommen tatsächlich nichts miteinander zu tun haben. Es gibt fleißig-tüchtige Menschen, die viel verdienen: gute Ärztinnen und Ärzte zum Beispiel. Manche kluge Manager*innen. Es gibt fleißig-tüchtige Menschen, die wenig verdienen: gute Krankenpfleger*innen zum Beispiel; auch alleinerziehende Mütter fallen u.U. in diese Kategorie; Regaleinräumerinnen, Kindergärtnerinnen, junge Lehrer*innen. Die meisten Hausfrauen …

Es gibt aber auch nicht-sehr-tüchtige Menschen, die hohes Einkommen haben, obwohl sie es gar nicht „verdienen“: Gangster und professionelle Glücksspieler zum Beispiel; manche „Berater“ zum Beispiel; erfolglose Manager, die trotzdem „Boni“ kassieren. Und es gibt ziemlich sicher nicht-sehr-fleißige Menschen, die wenig verdienen – da fällt uns allen vielleicht wer ein.

Das liegt daran, dass in unserer Gesellschaft Besitz und Hierarchie große Rollen spielen. Und Besitz ist oft nicht erarbeitet, sondern z.B. ererbt. Wirklich reich werden kann man mit eigener Hände Arbeit kaum. Und in der Hierarchie aufsteigen tut man unter Umständen nicht nur über Arbeitsleistungen: sondern „Vitamin B“. „Seilschaften“; z.B. Burschenschaften.

Lösungen

Man sollte an sich Einkommen und Leistung zusammenführen. Wer sinnvolle, nützliche Arbeit gut leistet, verdient es viel zu verdienen. Mit unnützer und schlecht ausgeführter Arbeit verdient man nur wenig (oder nichts).

Solange das aber nicht der Fall ist, ist die Steuerprogression ein vernünftiger Zwischenschritt. Grundidee: Wer viel Geld verdient, soll auch mehr Steuern zahlen, sogar einen höheren Steuersatz. Also „Belastung“, nicht „Entlastung“. Dabei spielt auch ein Rolle, dass viele ausgezeichnete Leistungen ja eine gesellschaftliche Grundlage haben. Man kann eben nur eine brillante Ärztin oder ein hervorragender Ingenieur sein und entsprechende Leistungen erbringen, wenn man zuvor eine ausgezeichnete (staatliche) Ausbildung erhalten hat. Dann kann man über die Steuern was „zurückgeben“. Genialität ist sehr oft weniger die Folge von Inspiration als von Transpiration (frei nach Thomas Alva Edison).

Was will Kickl?

Die Reichen sollen weniger Steuern zahlen. Das will Kickl.


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