michael bürkle

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Michael Bürkle

Landesfronleichnamsprozession

Heute hat sie wieder stattgefunden: die „Landesfronleichnamsprozession“. Ein eigenartiges Ding: eine Art Demo der katholischen Kirche mit dem Anspruch, eine Art Ereignis „des Landes Tirol“ zu sein.

Ich schicke voraus: ich bin keiner Religion zugehörig; ich schätze aber durchaus manche Leistungen christlicher Kirchen, wie sie sich in Caritas und Diakonie bündeln. Damit hat es sich aber schon.

Was wird da gefeiert?

Das weiß kaum jemand, nicht einmal eingefleischte katholische Funktionäre. Und das ist in gewissem Sinn auch gut so. Gefeiert wird nämlich „die leibliche Gegenwart Jesu Christi im Sakrament der Eucharistie“, also ein blanker Unsinn. Denn der „Jesus Christus“ hat in der sehr uneinheitlich überlieferten Form – die Evangelien sind widersprüchlich und über die Evangelien hinaus gibt es praktisch keine einzige zuverlässige historische Quelle – nie gelebt und auch wenn er je gelebt hätte, wäre er heute leiblich nicht mehr gegenwärtig, schon gar nicht in Hostien, Brot o.dgl. Man könnte – von mir aus – eine „geistige Gegenwart“ von wem auch immer feiern, aber eine „leibliche“ ist eine Schnapsidee. Das ist so wie mit dem seit 1.11.1950 gültigen Dogma der „leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel“.

Wer feiert? Wer geht da mit?

Es feiert in Tirol der organisierte Katholizismus. Der besteht in Tirol derzeit v.a. aus den Schitzn (den „Schützen“) und den katholischen Burschenschaften (nicht zu verwechseln mit den „schlagenden“ = deutschnationalen Burschenschaften). Darüber hinaus gibt es recht viel katholische oder sich als katholisch darstellende Prominenz aus Politik und Wirtschaft, weniger aus Kultur und Sport. So feiert die katholische Mittelschülerverbindung Amelungia, die sich nach den „Amelungen“, den Ostgoten Dietrichs von Bern, benannt hat, besonders, weil die Messe zum Startpunkt des „Umgangs“ vom Tiroler Bischof Hermann Glettler und von „Bbr. Abt Raimund Schreier v/o Domenico“ zelebriert wird. Der Abt ist also „Bbr.“, also „Bundesbruder“ und wird verbindungsintern geduzt und „Domenico“ gerufen.

Wie stolz die katholischen Bündler auf ihren Auftritt da sind, vermittelt ein Foto von der homepage der Amelungia:

 

Es trägt als Dateibezeichnung übrigens den schönen teutschen Titel „jungs.jpg“.

Der wirkliche Zweck der Fronleichnamsprozession…

Naja: in Wirklichkeit soll das eine Art „Demo“ sein, die katholischen Einfluss demonstriert. Eine Landeskatholendemo. Jetzt ist dieser Einfluss aber auch in Tirol im Schwinden. Die Wahlergebnisse der ÖVP zeigen das; die statistischen Erhebungen zur Religionszugehörigkeit ebenfalls. In Österreich rechnen sich laut Volkszählung 2021 gerade noch etwa 55% zur katholischen Kirche (Tendenz fallend), die zweitgrößte Gruppe sind mit ca. 22% (Tendenz steigend) bereits die Konfessionslosen; in Tirol sind es 2021 mit ca. 66% Katholiken noch etwas mehr bzw. knapp 18% Konfessionlosen noch etwas weniger. Das sind Restbestände des „heiligen Landes“ – nein, es geht hier nicht um Israel & Palästina.

Außerdem geht es natürlich um Vernetzung und um Kontaktpflege im katholisch-konservativen Bereich. Da trifft man sich, da kann man informelle Bündnisse schmieden, „Projekte“ auf Schiene setzen, Karrieren planen und Jobs vermitteln; aus der Prominenz wird leicht eine Promillenz, mit der es sich leichter reden lässt. Das läuft alles unter dem Slogan „Amicitia“ (= „Freundschaft“ = „Freund[erlwirt]schaft“), der bzw. die ein Grundwert aller Verbindungen ist. (Es funktioniert heut halt nimmer so gut.)

Ein Landesereignis?

Das erklärt auch, warum dieses Ding „Landesfronleichnamsprozession“ heißt und damit so tut, als ob es ein offizielles Ereignis des Landes Tirols sei. Auch das ist natürlich Unsinn. Die früher die Politik und die Gesellschaft beherrschenden Kräfte zeigen, was sie früher an Einfluss hatten und versuchen den Eindruck zu erwecken, dass da mehr als Restbestände dieses Einflusses noch vorhanden seien.

In Wirklichkeit ist die Bezeichnung Landesfronleichnamsprozession einfach eine bodenlose Anmaßung. Eine Frechheit.
(Ich habe keinen Landtags- oder Landesregierungsbeschluss für eine Benennung einer Prozession als „Landesprozession“ gefunden. Sollte es einen geben, der immer noch gilt, müsste ich den Vorwurf der Anmaßung und Frechheit revidieren. Dann wäre es freilich höchste Zeit, einen neuen Beschluss zu fassen.)


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michael
michael
6 Monate alt

es muss etwa 20, 22 jahre her sein. ich hatte einen job mit büro in der innenstadt von innsbruck: museumstraße, beletage. ich hatte zu tun und fuhr zu meinem arbeitsplatz. ich war konzentriert an der arbeit. da plötzlich ein WWWWUUUUMMMM, ein ungeheurer krach, dass die fenster klirrten. dann noch ein WWWWUUUUMMMM, und noch eines… ich ging zum fenster und sah einen ziemlichen auflauf an leuten. zivilpersonen, blasmusik, burschenschaftler, ja und die schützen. die kamen ihrer ursprünglichen bestimmung nach: sie SCHOSSEN. und wie! WWWWUUUUMMMM! dann auch blasmusik! da wurde mir klar: es war fronleichnam, und was ich sah, war ein halt… Mehr »

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