Der sog. „Anarchokapitalist“ Javier Milei hat die argentinische Präsidentenwahl gewonnen. Was lernen wir daraus?
1. Nicht alles, was mit „Anarch-“ anfängt, hat mit Anarchismus was zu tun. Die sogenannten „Anarchokapitalisten“ wollen gar keinen Staat mehr: Der Anarchokapitalismus …
… strebt […] eine reine Privatrechtsordnung […] ohne öffentliches Recht an. Er tritt für ein Recht auf Selbstbestimmung und eine weitreichende Verfügungsgewalt über Privateigentum ein, welche nicht durch staatliche Regelungen, sondern allein durch das Selbstbestimmungsrecht anderer eingeschränkt sein sollen.
Also: Alle Macht den Besitzenden! Privateigentum zählt alles.
Dem entsprechend will Milei alle Sozialprogramme kürzen. Klar: Besitzende brauchen die nicht (direkt).
Ich halte es mit dem Begriff Anarchie eher mit Immanuel Kant: der verstand unter Anarchie „Gesetz und Freiheit ohne Gewalt“, jedenfalls die Abwesenheit von Herrschaft und jedenfalls ganz sicher nicht die Herrschaft der Besitzenden. Auch Pierre-Joseph Proudhon könnten wir heranziehen: „Anarchie ist Ordnung ohne Herrschaft.“
2. Wenn „klassische“ Regierungsformen über Jahrzehnte der Korruption ein Land völlig abgewirtschaftet haben, greifen viele Menschen nach jedem Strohhalm, der sich ihnen bietet. Ja: der Peronismus, der irgendwann auch sozialdemokratische Züge hatte, ist in der Korruption versunken. Nicht mehr viele Argentinier*innen hatten Lust, den Peronisten Massa zu wählen.
Das kann auch in Österreich so ähnlich geschehen.
3. Der Herr Milei will das Sozialsystem abbauen, den US-Dollar als Währung einführen, die Zentralbank und einige Ministerien abschaffen. Er hat aber keine Mehrheit im Parlament.
4. Es wird sich herausstellen: auch Besitzende brauchen ein Sozialsystem, weil sonst die Besitzlosen so rebellisch werden, dass niemand mehr sicher ist.
5. Die Frankfurter Rundschau meint:
Milei profitiert von der Wut auf die Dauerkrise
Die Dauerkrise hat uns Argentinien voraus. Sie wird ein weltweites Phänomen werden – mit dem Klimawandel und seinen Begleiterscheinungen. Dementsprechend wird auch die Wut und die Polarisierung global werden.
Die Argentinier*innen haben sich in ein extrem gefährliches Experiment begeben. Es wird sehr viele Opfer fordern, auch unter denen, die Milei gewählt haben. Vielleicht können wir aus der argentinischen Misere noch etwas lernen für unsere Zukunft.