Wir gehen in ein Wahljahr. Es wird u.a. auch darum gehen, die grandiosen Dummheiten, mit denen uns ÖVP und FPÖ (oft gemeinsam, in Länderkoalitionen) konfrontieren, zu sammeln, zu belegen und zu zerlegen. Es hat bereits begonnen.
1. „Schwarz-Blau gegen höhere CO2-Bepreisung“
Gestern ein übles politisches Attentat der VF-Landesregierung in NÖ gegen ein Kernstück der Klimapolitik. Man solle „die CO2-Bepreisung aussetzen, bis sich die Inflationsrate wieder auf einem normalen Niveau befindet“.
Das ist natürlich großspuriger Blödsinn; populistisch, weil er der Bevölkerung vorgaukelt, etwas gegen die Inflation zu tun.
Warum brauchen wir einen CO2-Preis? Damit es wirtschaftlich sinnvoll wird, gegen die Emissionen von CO2 vorzugehen. Wenn wir das nicht tun, wird uns das Klima bald noch viel mehr um die Ohren fliegen, als es das diesen Sommer schon getan hat. Und das ist eine Gefahr für alle!
Die Bepreisung von CO2 ist auch keine neue Steuer. Es gibt sie schon, und als Gegenstück gibt es für alle Menschen in Österreich bares Geld als „Klimabonus“. Der ist i.W. abhängig von der Öffi-Struktur, in der jemand lebt: gibt es viele Anschlüsse für Öffentlichen Verkehr – also z.B. in Wien, ist der Klimabonus gering: 110 €. Ist der Öffentliche Verkehr schwer erreichbar, ist der Klimabonus hoch: bis zu 220 €.
FPÖ-Landesrat Landbauer wird zitiert mit: „Niemand versteht, warum die Bundesregierung in Zeiten der existenzbedrohenden Preisexplosion auch noch neue Steuern erfindet und mit einer CO2-Strafsteuer die Pendler und Familien bestraft“. Das ist natürlich völlig falsch. Die Bundesregierung hat keine neue Steuer „erfunden“ – das ist keine österreichische Erfindung! – sondern sie ist in einem marktwirtschaftlichen System verpflichtet, dem Ausstoß von CO2 einen Wert zuzumessen. Und das verstehen viele Menschen bereits.
Und die Regierung geht dabei allzu vorsichtig vor: die Tonne CO2 kostet derzeit gerade 30 € und das ist eigentlich viel zu wenig, um schnell (!!!) für den Klimaschutz wirksam zu werden. Bis 2025 soll der CO2-Preis auf 55 € pro Tonne steigen: und das ist immer noch viel zu gering. Die CO2-Bepreisung ist auch keine „Strafe“ für „Pendler und Familien“, sondern sie „bestraft“ Technologien, die Treibhausgase produzieren.
Die CO2-Bepreisung sei ein „ideologischer Anschlag auf die Geldbörsen der Österreicher von einer grünen Regierungstruppe“, so Landbauer. Das ist hochgradiger Unsinn. Man versucht, Treibhausgase durch eine wirtschaftlich sinnvolle Maßnahme spürbar zu reduzieren – und ist dabei noch viel zu milde.
Es zeigt sich ein Muster: durch Verdrehungen und glatte Lügen wird der Bevölkerung vorgegaukelt, dass man die Inflation bekämpfen wolle. Es ist gerade umgekehrt: wer die CO2-Emissionen nicht eindämmen will, schadet der Bevölkerung mittel- und langfristig: ihrer Gesundheit, ihrem Eigentum, ihrer Zukunft.
2. „Härtere Strafen für Klimakleber beschlossen“
Das melden gestern zahlreiche Medien: die ÖVP-FPÖ-Koalition in NÖ habe „härtere Strafen für Klimakleber beschlossen“. So hat das die Landesregierung verkauft, aber das ist natürlich Unsinn; das hat sie nicht beschlossen. Denn das kann sie gar nicht. Beschlossen hat sie einen Antrag an die Bundesregierung bzw. das Justizministerium, einen neuen gerichtlichen Straftatbestand für sog. „Klimakleber“ zu schaffen. Die niederösterreichische Landesregierung kann nämlich keine Reform des Strafgesetzbuches beschließen: so etwas müsste der Nationalrat machen.
Und da sind wir auch beim Kern des populistischen Unsinns. Man fordert von der Justizministerin, Straftatbestände zu schaffen. Wer das tut, hat entweder wesentliche Regeln der Demokratie und der Gewaltenteilung überhaupt nicht verstanden – oder er verkauft die Menschen absichtlich für blöd. Die Justizministerin kann keinen Straftatbestand schaffen; nicht einmal die Regierung kann das: das muss das Parlament. Dort könnten die ÖVP und die FPÖ aktiv werden – als NÖ-Landesregierung ist das Themenverfehlung. Entweder Dummheit oder der Versuch, die Bevölkerung für dumm zu verkaufen.
Das ist jetzt völlig unabhängig davon, wie sinnvoll das wäre. Im Antrag der nö. VF-Regierung wird auf die Blockade von Einsatzfahrzeugen Bezug genommen. Es könnte den Damen und Herren der nö. Landesregierung allerdings bekannt sein, dass Straßenblockaden der „Letzten Generation“ eben keine Einsatzfahrzeuge blockieren wollen, sondern dezidiert eine Spur für Einsatzfahrzeuge frei halten.
(Auch nach Meinung hoch kompetenter Verfassungsrechtler wäre das auch rechtlicher Unsinn. Das nebenbei.)
Und natürlich haut man hier die falschen. Nicht die Klimaaktivist*innen sind das Problem, sondern die Untätigkeit der Politik ist es. Wäre die Politik in ihren Bemühungen um Klimaschutz erfolgreich, würde es keine „Klimakleber“ geben. Die gibt es, weil alle Bemühungen um Klimaschutz – und es gibt solche: das Klimaticket ist ein gutes Beispiel – viel zu wenig und zu langsam sind. Es gäbe 93 Vorschläge des „Klimarates“ in einem Bericht: man kann sich selbst ein Bild machen, wie wenig weit wir beim Abarbeiten dieser Vorschläge sind.
Was soll dann die Lüge, man habe härtere Strafen „beschlossen“? Die VF-Landesregierung versucht offenbar den Anschein von „Aktivität“ herzustellen. Man verkauft die Bevölkerung für dumm. Aber ich glaube nicht, dass die Menschen so dumm sind.
(Ein anderes Problem ist, ob Straßenblockaden „klug“ sind. Das denke ich im Moment nicht. Mit Straßenblockaden polarisiert man sehr und in einem aufgeheizten, polarisierten Klima haben es Populisten oft leichter. Ich würde andere Aktionen empfehlen, gerade im Wahljahr!)