Der Fall
In Klagenfurt haben die Ursulinen eine zwölfjährige Mittelschülerin offenbar aus der koedukativ geführten Schule St. Ursula ausgeschlossen, weil deren Mutter in einem Elternforum die Kleiderordnung der Schule gegenüber anderen Eltern als „faschistisch“ und „patriarchal“ bezeichnet hatte.
Dass Seltsame an dem Fall ist: die ausgeschlossene Schülerin hat sich offenbar durchaus an die Kleiderordnung gehalten. Nicht die Schülerin bzw. ihr Verhalten war offenbar das Problem, sondern die Aktivitäten der Mutter machten den Ursulinen Kopfschmerzen!
Ich denke, der Fall schreit nach ein bisschen begrifflicher Aufklärung.
Die Kleiderordnung
Was hat der die Schule führende Ursulinen-Orden als Kleidungsordnung verlangt? Für Mädchen: „ordentliche Kleidung“, das sei „keine bauchfreien T-Shirts, keine Tops mit Spaghettiträgern, keine Leggings und keine zu kurzen Röcke und Hosen“.
Naja: diese Kleiderordnung ist vielleicht etwas konservativ, aber „faschistisch“ ist sie m.E. nicht. Die Schule will offenbar Kurs nehmen gegen eine Jugend- und Kinder-„Mode“, die sich derzeit hart an der Nacktheit entlang bewegt: bauchfreie Tops mit Spaghettiträgern über minimalistischen Röckchen werden Eltern und Kindern als „modern“ und „cool“ vorgemacht. Und die machen mit.
Nicht überliefert vom ORF und auch auf der homepage der Schule nicht erfahrbar ist, ob die Schule entsprechende Kleidungsregeln auch für Buben erlassen hat. Welche Art von „Tops“ und „Hosen“ müssen Buben tragen? Wir wissen es nicht.
Warum tut die Schule das?
Man kann diese Kinder- und Jugend-„Mode“ als gefährlichen Unsinn betrachten. Wir leben in einer ziemlich sexualisierten Gesellschaft; ein sexuell und erotisch reifer Mann wird sich von Zwölfjährigen in Spaghetti-Tops nicht „anmachen“ lassen. Aber können wir davon ausgehen, dass die meisten Männer „sexuell und erotisch reif“ sind? In einer katholischen Privatschule? Ich bin da sehr skeptisch. Jedenfalls gehen dort auch 10- bis 15-jährige Buben hin und denen würde ich eine gewisse Form der erotischen „Reife“ nicht schon abverlangen wollen. Die sollen sie dort entwickeln; sie müssen sie nicht schon haben.
[Einschub
Ich war als Schuldirektor auch schon mit dieser Jugend-„Mode“ konfrontiert; allerdings waren meine „Schüler*innen“ (wir sagten: „Studierende“) hauptsächlich zwischen 17 und 25. Und ich war durchaus manchmal in Versuchung, den jungen Menschen – Damen wie Herren – zu sagen, dass sie sich „etwas anziehen“ sollen. Es war – bei beiden Geschlechtern – bisweilen „nicht zum Hinschauen“. Hose über den Arschbacken, Netz-T-Shirts (damit man die Tattoos und die „Muckis“ und die Brüste besser sieht) …]
Die Erwartungen der Mutter
Die Erwartungen der Mutter an die Schule wurden enttäuscht. Sie sah eine „faschistische“ Kleiderordnung, „patriarchales Verhalten“ und eine „Unterdrückung des Feminismus“. Ja, was erwartet man / frau sich denn von einer katholischen Privatschule? Mit „Feminismus“ würde ich da als Beteiligter ganz sicher nicht rechnen und an gewisse „patriarchale“ Anwandlungen kann man schon denken, wenn man sein Kind in eine katholische Privatschule steckt. (Inwiefern die vorgeschriebene Kleiderordnung „patriarchal“ ist, könnte man etwas besser beurteilen, wenn man wüsste, was den Buben vorgeschrieben ist.) Ich denke, diese Schulanmeldung beruht auf einigen gravierenden Missverständnissen.
Zum Patriarchat noch: ist es eines seiner Zeichen, dass sich Mädchen und junge Frauen möglichst „bedecken“ müssen? Ich weiß nicht: Patriarchat heißt doch eher, dass Männer über Frauen verfügen können: auch in Blicken. Aber vielleicht heißt „patriarchal“ für die Mutter hier, dass Mädchen nicht einfach das an- bzw. ausziehen dürfen, was sie bzw. ihre Mütter wollen.
Der „Feminismus“
Da werde der Feminismus unterdrückt, ortet die Mutter. Auch da sehe ich seltsame Missverständnisse. Ist es Feminismus, wenn man zwölfjährige Mädchen am Rand der Nacktheit in die Schule schicken will oder soll? (Gegen ihren Willen?)
Der Feminismus, den ich für gesellschaftlich essenziell halte, ist das jedenfalls nicht. Das ist aus meiner Sicht möchte-gern-Coolness, die sich als Feminismus tarnt.
Mehr Verstand, mehr Gespräch
Ich würde auch in einer staatlichen Schule von beiden Geschlechtern etwas mehr Verstand erwarten oder erhoffen – auch an einer Privatschule. Ich habe das als Direktor in der Schule im direkten Gespräch nie eingefordert; es war nie so akut, aber da hätte ich vielleicht mehr tun können. Aber wenn die Angelegenheit eskaliert wäre, hätte ich das nach einigen 4-Augen-Gesprächen in den Schulgemeinschaftsausschuss eingebracht.
Man muss mit den Betroffenen reden. Inwiefern das in St. Ursula passiert ist, weiß ich nicht. Die Betroffenen sind dort jedenfalls nicht nur die Schüler*innen, sondern auch die Erziehungsberechtigten, die ja auch Erziehungsverpflichtete sind.
Bildungslandesrat Fellner (SPÖ) meint, er erwarte sich…
dass die Erwachsenen hier eine Vorbildfunktion übernehmen und den Schülerinnen und Schülern vorzeigen, wie Konflikte zu lösen sind: in einem gemeinsamen Gespräch an einem Tisch.
Der Mann hat recht.