michael bürkle

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Michael Bürkle

Marcel Koller hat versagt …

Ja, man muss es sagen: der Schweizer Trainer der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft hat versagt. Obwohl er es gebetsmühlenartig immer wieder wiederholt hat: der geballten Macht der österreichischen Sportreporter und „Experten“, die immer schon selbstverständliche Siege gesehen haben, wo noch keine Minute gespielt war, ist Koller nicht beigekommen. Die Mannschaft hätte über Ungarn und Island hinwegfegen sollen, sie hätte auch Portugal Paroli bieten müssen.

Gegen Portugal hat die österreichische Mannschaft mit enorm viel Glück ein 0:0 90 Minuten lang zäh verteidigt. Gegen Ungarn und Island hat man jeweils 2 Tore kassiert und insgesamt nur eines (in 3 Spielen) erzielt. Jetzt herrscht – laut ORF – „Fassungslosigkeit und Entsetzen“.

fueGut, mit ein bisschen (noch mehr) Glück hätte Österreich gegen Island ein 2:1 erzielt; nicht umgekehrt. Dann hätte die Patho-Euphorie der „Experten“ und Journalisten weitergehen können.

Manisch-depressiv ist ein Grundcharakterzug eines gewissen Österreichertums, das offenbar oft bei Journalisten auftritt. Entweder ist etwas super, leiwand, toll, fantastisch, oder es ist abgrundtief schlecht und man ist fassungslos und entsetzt. Differenziertes dazwischen ist kaum möglich. Die Manie hebt ab und führt zu Realitätsverlust; die Depression folgt zwangsläufig und verliert die Realität ebenso, nur anders.

Österreich hat eine „fantastische“ EM-Qualifikation gespielt: 10 Spiele, davon 9 Siege, 1 Unentschieden. Ein fantastisches 4:1 gegen Schweden, sogar auswärts. Wars wirklich so „fantastisch“?

Die EM hat gezeigt: Österreichs Gegner in der Qualifikation (Russland, Schweden) stecken selbst in Formkrisen. Alle 3 – Österreich, Russland, Schweden – sind mit lediglich einem einzigen Punkt und den Torverhältnissen 1:4, 2:6 bzw. 1:3 in der Vorrunde ausgeschieden. In der Qualifikation hatte Österreich gegen Moldawien 2:1 und 1:0 gewonnen, gegen Montenegro 1:0 und 3:2, gegen Russland zweimal 1:0. Das sind alles knappe Ergebnisse, die in der Summe eine Überlegenheit vortäuschen, die im Einzelfall nicht gegeben war.

Die österreichische Fußball-Nationalmannschaft ist gar nicht so schlecht und gar nicht so gut. Die Qualifikation war kein Grund für Euphorie, die EM ist kein Grund für „Fassungslosigkeit und Entsetzen“. (Da gibt es ganz andere gesellschaftliche Bereiche, in denen man mit Recht fassungslos und entsetzt sein kann.)

Ich wäre sehr für eine vernünftige Einstellung, die Gutes gut, Schlechtes schlecht und Mittelmäßiges mittelmäßig nennt. himmelhochjauchzend und zutodebetrübt sind als alleinige Alternativen pathologisch.


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